Skip to Content
[Translate to German:]  A classroom setting featuring a robot positioned at the front, ready for an educational demonstration.

Helfer mit digitalem Herzen

  • Aus der Forschung
  • Forschung

In Krankenhäusern und Pflegeheimen kommen Roboter bereits zum Einsatz. Können sie auch Lehrer und Therapeuten bei der Arbeit mit Kindern unterstützen? Dr. Santiago Berrezueta vom TUM Campus Heilbronn ist davon überzeugt: Er hat digitale Helfer entwickelt, die in Vorschulen und bei der Betreuung von Kindern mit Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung (ADHS) wertvolle Dienste leisten.

Auf den ersten Blick ist es nur ein kleiner Kasten mit einem Bildschirm, kaum 25 Zentimeter hoch. Er hat keine Arme und Beine, rollt aber auf Rädern in jede Richtung. „Er sieht aus wie eine Alexa mit einem Gesicht, das sich bewegen kann“, beschreibt Dr. Santiago Berrezueta, wissenschaftlicher Mitarbeiter an der TUM School of Computation, Information and Technology am Campus Heilbronn, den von ihm entwickelten Roboter.

Es mag noch wie Science-Fiction klingen, aber in Berrezuetas Heimat Ecuador und in Spanien werden Roboter mit den Namen „TAP“ und „Violet“ bereits in einigen Kliniken und Kindergärten sowie in Privathaushalten eingesetzt. Sie unterstützen Therapeutinnen und Therapeuten bei der Beschäftigungstherapie für ADHS sowie Lehrkräfte im Englischunterricht in Vorschulen. „Der Roboter soll Lehrerinnen und Lehrer unterstützen und noch interaktivere Unterrichtsstunden ermöglichen“, sagt der junge Wissenschaftler.

 

Mehr Empathie dank KI

 

Die Integration großer Sprachmodelle (LLMs) war ein Meilenstein. „Wir müssen die Dialoge für die Roboter nicht mehr von Grund auf neu erstellen“, erklärt Berrezueta. „ChatGPT und andere LLMs helfen uns, die Gespräche natürlicher und menschlicher zu gestalten. So lassen sich die Dialoge flexibel an das Alter, die Bedürfnisse und die Situation der Kinder anpassen, wodurch Langeweile vermieden wird.“

Ein weiterer Vorteil ist, dass die Roboter über eine Kamera mit Gesichtserkennung die Emotionen eines Kindes erkennen und individuell darauf reagieren können. Das zahlt sich besonders in einem anderen Anwendungsbereich aus: Integriert in eine Smart-Home-Umgebung helfen die digitalen Assistenten Kindern mit ADHS bei den Hausaufgaben und unterstützen sie dabei, sich besser zu entspannen. Sie müssen nur auf den Schreibtisch gestellt werden und erkennen dann sofort, ob sich ein Kind auf seine Arbeit konzentriert. Versinkt es in Tagträumen oder lässt sich ablenken, können die Roboter etwa sagen: „Wir müssen erst die Hausaufgaben erledigen. Danach kannst du nach draußen gehen und spielen.“ Dank der intelligenten Assistenten benötigen einige der Kinder keine Medikamente mehr. Berrezueta ist sich sicher: „Kinder mit ADHS müssen nicht geheilt werden. Sie wollen einfach nur verstanden werden.“

Der Doktor der Systemtechnik entwarf die Roboter mit dem 3D-CAD-Programm „Autodesk Inventor“ und fertigte sie mit einem 3D-Drucker an. Dabei nutzte er mehrfach die technische Ausstattung des „Maker Space“ im Heilbronner Science Center „Experimenta“, dem er auch einen Roboter zur Verfügung stellte. „Für die Schaltkreise habe ich offene Hardware verwendet, die nach dem Plug-and-Play-Prinzip funktioniert. Der Code und das Design sind auf GitHub verfügbar, sodass jeder seinen eigenen Roboter erstellen und programmieren kann. Man muss nur die Programmierschnittstellen, die sogenannten APIs, anpassen, wenn man künstliche Intelligenz nutzen oder einen eigenen Algorithmus erstellen möchte.“

 

Der Mensch bleibt im Mittelpunkt

 

Die Erfahrungen mit den elektronischen Assistenten sind durchweg positiv: „Kinder nehmen die Roboter oft zunächst als Spielzeug wahr. Aber wenn das Spielzeug ihnen etwas beibringt, behalten sie den Inhalt besser und länger – zum Teil wegen des Überraschungseffekts, aber auch, weil Roboter oft mehr Aufmerksamkeit und Motivation erregen als Lehrer allein.“

Auch die Eltern reagieren sehr positiv auf die neue Technologie, nur die Lehrer waren anfangs etwas skeptisch. Die Begeisterung der Schüler war jedoch ansteckend: „Einige haben berichtet: Wenn die Kinder wissen, dass der Roboter beispielsweise immer am Donnerstag da ist, fragen sie schon Tage vorher nach ihm.“ Berrezueta hat den Lehrern von Anfang an eines klar gemacht: Die Roboter werden sie niemals ersetzen können, sondern sollen sie lediglich unterstützen. „Traditionelle Unterrichts- und Therapiemethoden werden definitiv beibehalten“, sagt der Wissenschaftler.

Trotz der erstaunlichen Fähigkeiten der KI spielt der Mensch weiterhin eine zentrale Rolle: "Außer bei der Hausaufgabenhilfe für Kinder mit ADHS ist immer eine Lehrkraft oder ein Therapeut anwesend. Sie überwachen den Roboter, um sicherzustellen, dass er angemessen reagiert.‘ Es kann immer vorkommen, dass ein Roboter falsche Antworten oder schlechte Anweisungen gibt, weil die Trainingsdaten der KI verzerrt sind oder weil er halluziniert."

 

Mit Leidenschaft für mehr Inklusion und Freude

 

Für die Zukunft sieht Berrezueta weitere Anwendungsmöglichkeiten für Roboter in der Unterstützung von Kindern: „Sie könnten ihnen helfen, gute Gewohnheiten zu entwickeln. Zum Beispiel, sich nach dem Spielen die Hände zu waschen oder vor dem Schlafengehen die Zähne zu putzen. Sie könnten ihnen auch vorschlagen, Sport zu treiben oder ein Buch zu lesen, wenn sie zu viel Zeit vor dem Bildschirm verbringen.“

Die Möglichkeiten sind groß, und Berrezueta ist begeistert: „Wenn wir die Roboter mit Leidenschaft entwickeln und genau auf die Bedürfnisse der Kinder eingehen, können wir jede Lernschwierigkeit in einen Moment des Wachstums verwandeln. Jede erfolgreiche Therapiesitzung ist dann ein Schritt zu mehr Selbstvertrauen und Inklusion – und zu noch mehr Freude."